Ich wurde von einem Freund gebeten, mich zu diesem Thema zu äußern; zu beschreiben, was ich gegen diese Partei und gegen alle Vereine, Gruppierungen, eben gegen „Rechts“ habe. Das ist einfach. Oder vielleicht auch nicht? Kurz muss ich doch sagen, wer ich bin, wo ich herkomme.

Ich heiße Eva Langkabel, wurde 1942 geboren, habe folgerichtig die gesamte DDR-Zeit erlebt und ein nicht unwichtiges Stück des Dritten Reiches. Den sogenannten Zusammenbruch also, den manche Menschen als schreckliches Unglück, andere als Befreiung bezeichneten. Mein Vater war in der Nazizeit Intendant der „Pommerschen Landesbühne“ in Stettin, wo ich geboren wurde. Meine Mutter war dort Schauspielerin, sie war gegen die Nazis.

Mein Vater allerdings verehrte den „Führer“ glühend. Mein Bruder, 1 1/2 Jahre älter als ich, war der große Zuhörer, während ich ständig fragte, alles über dieses „Dritte Reich“ wissen wollte und Vater nicht gern antwortete, Mutter allerdings so sachlich wie möglich Auskunft gab. Das allerdings kam wirklich erst, als ich begann, eigene, kritische Gedanken zu entwickeln.

Vater war im Krieg, Mutter war mit uns beiden nach Thüringen in ein Dorf geflohen, wo wir entfernte Verwandte hatten. Dieses Dorf lag genau zwischen Autobahn und Landstraße, an der auch das Haus stand, in dem wir wohnten. Das war praktisch für die Sieger, die bloß ihre Panzer und Geschütze ein bisschen drehen mussten, um das Dorf in Klump zu schießen – wenn sich Widerstand regte natürlich. Und leider regte der sich, in Form von halben Kindern, der Hitlerjugend nämlich, die sich Wehrwölfe nannten.

Sie schossen mit Panzerfäusten auf die ankommenden Amerikaner. Mehrere Tage lang dauerte der Beschuss, Flugzeuge halfen auch mit, schossen Raketen, warfen Bomben ab. Ich war drei Jahre alt, mein Bruder und ich versteckten uns im Garten im Kaninchenstall, schrien fürchterlich, hatten, wer will es uns verdenken, entsetzliche Angst.

Wann unsere Mutter uns dort herausholte, weiß ich natürlich nicht mehr, wann wir auf einem Feld von einem Tiefflieger beschossen wurden, auch nicht mehr. Aber ich werde es nie vergessen, glauben Sie mir. Also kann ich genau sagen, was Krieg ist.

Ganz schnell bin ich in der Gegenwart. Ich gehöre heute den „Omas gegen Rechts, Leipzig“ an und weiß genau, warum. Am Samstag vor Pfingsten hatten wir Mahnwache, zwei sechzehnjährige Mädchen sprachen mit meiner benachbarten Freundin. Ich ahnte nicht, worum es da ging, auf der Straße war es sehr laut. Die Mädchen gingen, die Freundin kam fassungslos zu mir und erzählte. Diese beiden Mädchen hatten gefragt, was wir denn gegen Krieg hätten?

Sie hat es ihnen gesagt. Sie sprach auch von den 6 Millionen ermordeten Juden. Die Mädchen sagten, das sei doch nicht so schlimm, JUDEN SEIEN DOCH KEINE MENSCHEN! Was sie denn seien, vielleicht Tiere? SO UNGEFÄHR, ETWAS DAZWISCHEN! Dann gingen sie. Das macht uns erstmal leider sprachlos.

Wie kann so etwas sein? So viele Jahre nach dem Krieg? Mädchen, die so alt oder besser gesagt, jung waren wie die Wehrwölfe damals? Sie haben keine Ahnung, was Krieg bedeutet, wissen auch offensichtlich nichts über jüdische Menschen. Warum nicht?

Die AfD ist eine rechtsradikale Partei, das hört man bei jeder Rede, wenn ihnen zugehört wird natürlich. Sie benutzen auch die Sprache des Dritten Reiches, sie lehnen Menschen ab, die bei uns Zuflucht vor Verfolgung und Krieg, aber auch vor dem Hunger und dem Klimawandel gefunden haben. Im Wahlkampf gaben sie sich harmlos, aber auf ihrem Parteitag in Riesa konnte man die ganzen Stimmen des Hasses hören.

Ich werde, solange ich lebe, und das wird ja nicht mehr lange sein, gegen Rechts alles tun, was ich kann – an der Seite so mutiger Frauen wie der „Omas gegen Rechts“!

Mein Vater übrigens hat ganz am Ende seines Lebens mit brüchiger Stimme gesagt: „Ich sehe ein, Hitler war ein Verbrecher.“

Es ist wahr, glauben Sie mir.

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