Das Wahljahr, rechnet man es von Februar 2024 bis Februar 2025, ist vorüber und es lief für die Partei Bündnis 90/Die Grünen nicht wirklich gut: Nach dem Hoch bei den Stadtratswahlen 2019, mit 15 Sitzen, zu denen noch Bert Sander (WVL) hinzukam, wurden es noch 13 Sitze bei der Wahl 2024. Erreichten die Grünen 2019 bei der Landtagswahl in Sachsen noch 8,9 Prozent und regierten mit CDU und SPD in einer Koalition, so reichte es 2024 mit 5,1 Prozent nur knapp zum Verbleib im Landtag.

Die Bundestagswahl brachte ebenfalls ein, für die Grünen, unbefriedigendes Ergebnis. Von 14,7 Prozent der Zweitstimmen 2021 verloren die Grünen etwa 3 Prozent und sind, wie im Land, nicht mehr in der Regierung vertreten.

Ich habe mit Kristina Weyh und Tobias Peter, den Fraktionsvorsitzenden im Leipziger Stadtrat, in einer Videokonferenz gesprochen, um zu erfahren, wie es mit der Partei in Leipzig weitergeht. Die Gesprächspartner sind, seit der gemeinsamen Zeit im Stadtrat, per Du. Wir haben das im Gespräch beibehalten.

Die Wahlen sind vorbei und es lief nicht optimal für Euch, denke ich. Wie stellt ihr Euch neu auf, wie bringt ihr Eure Themen vielleicht auch verändert wieder in den Vordergrund?

K. Weyh: Große Frage, wie stellen wir uns neu auf? Ich spreche nur für Leipzig. Wir haben uns als Fraktion tatsächlich schon sehr erfolgreich neu aufgestellt, das ging erfreulicherweise schnell. Wir sind in gutes Arbeiten gekommen mit unseren vielen Neuen im Stadtrat. Die Arbeit anders zu verteilen klappt sehr gut, da sind wir sehr zufrieden. Auch in der Partei sehen wir für Gesamt-Leipzig, dass wir mit dem großen Mitgliederzuwachs dort ein enormes Potenzial gewonnen haben, um ins inhaltliche Arbeiten zu gehen.

Es gibt einen Riesenzulauf in den thematischen Arbeitsgemeinschaften, wo wir als Stadträtinnen auch immer mit reingehen. Da sind wir sehr eng mit der Partei verbunden und merken, da kommt ganz viel programmatische Arbeit, die uns als Stadtratsfraktion sehr viel Nutzen bringt. Wir bekommen Input, um Themen gemeinsam zu erarbeiten, das gefällt uns sehr gut. Wir stellen uns gerade inhaltlich wieder fest auf, nachdem erstmal kurz durchgeatmet werden musste.

Jetzt haben wir die Herausforderung, das ist für uns auch ein bisschen neu, wie organisieren wir uns als Partei mit den vielen Menschen mehr als vorher? Das ist eine organisatorische Geschichte, wir sind da aber auf einem guten Weg uns auch dezentral mit den Leuten zu treffen. Das ist eine spannende Entwicklung und das stärkt uns in der Stadtratsarbeit für das alltäglich Inhaltliche tatsächlich.

Wir erleben ein ganz großes Interesse der Mitglieder dafür, was hier in Leipzig wirklich passiert. Die Menschen interessieren sich schon sehr für das, was vor ihrer Tür passiert und dafür, was wir machen.

Du sprachst von Mitgliederzuwachs, wie drückt der sich ungefähr in Zahlen aus?

K. Weyh: Es sind jetzt über 2000 Mitglieder und wir kennen noch ziemlich gut die Zeiten, wo es 400 waren. Also, es ist wirklich krass.

Die originären grünen Themen wie Umweltschutz, Klimaschutz und so weiter, sind ja im Wahlkampf, durchaus auch mit Fake News, vorsichtig gesagt ziemlich schlecht behandelt worden. Wie wollt ihr die wieder ins Gespräch bringen?

T. Peter: Natürlich werden wir trotzdem unsere Themen hochhalten. Ich sage mal so, gerade auf der Bundesebene ist da ja durch eine schlechte Kommunikation, auch durch teilweise handwerklich vielleicht nicht ganz optimalen Umgang mit Themen ein Stück weit Kredit verloren gegangen. Aber Themen wie Klimapassung, sind ja am Ende ganz konkret mit Lebensrealität und Lebensqualität verbunden. Stichwort Hitzesommer, das muss immer mit genau mit diesen Lebensrealitäten verknüpft gesehen werden.

Wir haben das Thema Wärmewende vor der Brust, da geht’s um das Thema Bezahlung, am Ende geht es um bezahlbares Wohnen, gerade beim Thema Nebenkosten. So kann man das weiter deklinieren. Der Ausbau erneuerbarer Energien wird unerlässlich sein, damit wir beim Thema Wirtschaft attraktiv bleiben und Investoren anziehen. In dem Sinne versuchen wir die Themen immer ein Stück weit aufzuziehen und dranzubleiben.

Wir merken im Stadtrat schon, dass wo es früher noch teilweise von den Linken eine Konkurrenz bei den Öko-Themen gab, wir da ein eher alleinstehen. Das hat auch etwas Gutes, umso mehr können wir dieses Alleinstellungsmerkmal hervorheben. Jetzt haben wir ein bisschen Luft.

K. Weyh: Ich würde da gerne noch was ergänzen, weil ich das ganz spannend finde. Das Thema Klima, Umwelt, die Grünen, die grünen Themen, das Naturthema, all das wurde so diskreditiert und kleingeredet. Wir merken jetzt aber in der kommunalen Arbeit, dass wir die Themen ständig wieder auf dem Tisch haben. Da gibt es wieder eine Überschwemmung bei Starkregen, es gibt Probleme mit der Hitze, die werden wir wieder bekommen, es ist viel zu trocken, die Bäume sind zu trocken und so weiter.

Am Ende bearbeiten wir die Themen und haben mit diesem konkreten Thema vor Ort die Widerlegung dieser rechten Narrative, dass es das alles nicht gibt. Wir können jetzt gut herausarbeiten, wie wir das am konkreten Beispiel den Leuten vermittel. Einige schreien rum, sie stehen durch die Baustellen im Stau und das ist ganz furchtbar, aber genauso viele E-Mails bekomme ich von Leuten, die sagen: Meine Straße ist so schlecht und muss sofort gemacht werden.

Wir können dann den Leuten sagen: Ihr müsst Euch überlegen, ob ihr die Mobilitätswende so sehr verdammen wollt oder ob wir nicht doch mal gucken, wie wir noch ein paar Autos von der Straße wegbekommen. Am Ende spielt uns die Realität in die Karten. Vielen Menschen wird klar werden, was nicht funktioniert.

T. Peter: Vielleicht noch als Beispiel das Feuerwerk am Bagger. Das bewegt viele. Ich teile nicht die These, dass die Leute grundsätzlich weniger ökologisch denken oder weniger übrig haben für Umwelt- und Naturschutz. Am Ende muss man es konkret machen, mit bestimmten Beispielen.

Wir müssen die Themen und die Probleme, aber auch die Vorteile aufzeigen und beim Thema Feuerwerk am Bagger, da gibt es eine ganz klare Mehrheit, die das wirklich problematisch findet. Also da gibt es eine Sensibilität und es liegt jetzt an uns da den Finger auf die Wunde zu legen, damit man bei den Themen vorankommt.

Einleitend hatte ich gesagt, die Wahlen wären vorbei. Allerdings steht ja für Leipzig die Wahl des Oberbürgermeisters schon in zwei Jahren an. Werden die Grünen, nach heutigem Stand, einen eigenen Kandidaten aufstellen?

T. Peter: Es sieht danach aus, dass glaube ich alle Parteien, also auch wir, jeweils eine Person aufstellen. Ich glaube so ehrlich und so klar kann man sein. Die Frage ist ja: Was soll das Anforderungsprofil sein? Wir haben gestern doch eine lebhafte Debatte gehabt, in der wir auch nochmal klare Kritik am derzeitigen Oberbürgermeister geübt haben.

Der hat seine rhetorischen Stärken und seine Glanzpunkte in der Repräsentation, aber klare Schwachpunkte beispielsweise bei der Frage: Wie organisiere ich eine zukunftsfähige Stadtverwaltung? Wie gehe ich mit Mitarbeitern um? Wie entwickle ich die Stadt insgesamt und nehme dabei die Leute mit? Das ist ein Stück weit das Anforderungsprofil für eine Person, die für uns Grüne in den Wahlkampf zieht. Also es muss einen klaren Neuanfang geben in der Art und Weise, wie die Stadt geführt wird.

Das waren meine Fragen, habt Ihr noch etwas, was Ihr loswerden wollt?

T. Peter: Vielleicht ein Punkt, der uns umtreibt: Der hängt am Ende mit dem Oberbürgermeister zusammen. Es steht die Frage: Wie gehen wir mit den Themen Haushaltskonsolidierung und Aufgabenkritik um? Aus unserer Sicht läuft da einiges schief. Wir stehen dazu, dass es den Prozess braucht, aber der muss auch vernünftig aufgesetzt werden. Da haben wir den Eindruck, es wird ein bisschen Geld aus allen Ecken zusammengekratzt, aber es ist nicht wirklich ein Prozess, in dem man hinterfragt, ob die Prozesse sinnvoll aufgesetzt sind.

Da werden wir dranbleiben, dass dieser Prozess so läuft, dass wir am Ende digitaler rauskommen, dass wir so rauskommen, dass es barrierefrei wird und die Beschäftigten am Ende eine Entlastung erfahren und nicht eine Belastung. Genau danach sieht es gerade nicht aus. Das ist eine der Schwächen, die der OBM hat. Er kann so einen Prozess nicht gut führen und deswegen läuft es gerade auch nicht gut. Da ist es unser Anliegen, kritisch dranzubleiben, klare Forderungen zu stellen und Ideen einzubringen.

K. Weyh: Uns ist es auch ein Anliegen, die Verwaltung wieder in vernünftige und gesunde Arbeitsstrukturen zu bringen und nicht dieses Narrativ, welches sich auch so verselbstständigt hat zu bedienen: Die können ja alle nichts, die wissen ja alle nicht, was sie tun und die liefern nicht. Das stimmt wirklich gar nicht. Ich glaube, wir können in dem Prozess auch diesem Bild entgegenwirken, in dem wir Stellschrauben drehen und kommunizieren, welche Sachen wirklich noch verbesserungswürdig sind. Ich glaube, da können wir einen großen Schritt weitergehen.

Das hat sich auch im Stadtrat breit gemacht in den letzten Jahren, dieses Einschlagen auf vermeintlich unfähige Mitarbeiter:innen und das ist einfach falsch. Da hätte ich auch gerne, aus diesem Prozess heraus, dass wir da wieder zu einer anderen Wahrnehmung kommen, damit die Verwaltungsmitarbeiter/-innen auch eine Chance haben und anerkannt wird, dass die dort alle miteinander eine vernünftige Facharbeit machen.

Das ist uns ein Anliegen, welches am Ende dieses Prozesses stehen muss. Das ist nicht so sehr greifbar, aber ich glaube da kann man viel bewegen.

Kristina und Tobias, ich danke Euch für das Gespräch.

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