Sie erinnern sich an den Koalitionsvertrag und den Passus „Steuerliche Anreize für freiwilliges längeres Arbeiten“? Ja, die meisten haben da wohl gedacht, dass man dann Rentnerin oder Rentner ist und bis zu zweitausend Euro steuerfrei dazuverdienen kann. Pustekuchen, das steht nicht so drin. Nur gut, dass der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Hendrik Hoppenstedt, das bei phoenix klargestellt hat.
Der Passus auf Seite 45 des Koalitionsvertrages: „Zusätzliche finanzielle Anreize sollen geschaffen werden, damit sich freiwilliges längeres Arbeiten mehr lohnt. Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, wird sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei erhalten. Fehlanreize und Mitnahmeeffekte werden wir vermeiden.
Wir prüfen dabei insbesondere die Nichtanwendbarkeit der Regelung bei Renteneintritten unterhalb der Altersgrenze für die Regelaltersrente, die Beschränkung der Regelung auf Einkommen aus sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und die Anwendung des Progressionsvorbehalts.“ Er hat mitnichten die beschriebene Bedeutung.
Die CDU versprach am 22.01.2025 unter „Weiterarbeiten? Die CDU-Aktivrente“ vollmundig:
„Das Rentenalter erreicht und noch voller Energie? Mit der Aktivrente gibt die CDU die Freiheit, selbst zu entscheiden: Wer länger arbeiten möchte, kann das tun – und zwar unter besseren Bedingungen. Mit einem auf 24.000 Euroverdoppelten Grundfreibetrag jährlich entstehen echte Anreize. Das sind 2.000 Euro im Monat, die Rentnerinnen und Rentner steuerfrei im Monat hinzuverdienen können. Bedeutet: Mehr Geld für Rentnerinnen oder Rentner, die weiterarbeiten möchten –und gleichzeitig eine besondere Anerkennung ihrer Lebensleistung.“
Ehrlich: Wie oft haben Sie eingehaltene Wahlversprechen erlebt?
In der Sendung „Unter den Linden“ vom 2. Juni, moderiert von Michaela Kolster und mit Ines Schwerdtner (Linke), erklärte uns Hendrik Hoppenstedt den tatsächlichen Sachverhalt.
Etwa bei Minute 35 des Gesprächs führt er zum Thema Rente aus:
„Wir haben jetzt ungefähr 20 Jahre vom Renteneintritt, vom durchschnittlichen bis zum Versterben, wo man sozusagen Rentenbezieher ist. Und die medizinische Entwicklung, auch unsere Ernährung und unsere Lebensumstände sind ja Gott sei Dank so, dass man damit rechnen kann, dass die Lebenserwartung noch mal steigern wird. Und deswegen ist doch die Frage, wie kriegen wir das hin, dass Menschen auch ein Stück weit länger arbeiten?
Weil ansonsten es ja auch aus meiner Perspektive schlichtweg unsozial ist, diese ganzen anfallenden Beitragszahlungen bei denen zu belassen, die arbeiten. Und deswegen sagen wir, wir möchten mit der Aktivrente Menschen motivieren, länger zu arbeiten auf freiwilliger Basis, auch wenn sie das Renteneintrittsalter erreicht haben.
Und der Benefit soll sein, dass wir 2000 Euro dann des Verdienstes erst einmal steuerfrei stellen, damit man am Ende mehr Netto vom Brutto hat als vorher. Und dann zahlt man natürlich auch keine Arbeitslosenversicherung, keine Rentenversicherung. Und dann lohnt sich das Ganze.“
Zwischenfrage der Moderatorin: „Aber wo entlastet das denn die Rentenkasse?“
„Weil erst mal die Rentenzahlung nicht einsetzt. Ich kriege ja dann keine Rente, wenn ich weiter verdiene.“
Die weiteren Fragen und Antworten kann man sich anhören, es bleibt dabei: Die Aktivrente ist nicht das, was die CDU im Wahlkampf versprochen hat.
Es bleiben Fragen offen. Wer nach diesem Modell nach dem regulären Rentenalter weiter arbeitet, also keine Rente bezieht, bekommt das Arbeitsentgelt bis zu 2000 Euro steuerfrei, ohne Abzüge von Renten und Arbeitslosenversicherung.
Rechnen wir mal mit 2.222 € brutto, das entspricht einer 40-Stunden-Woche bei Mindestlohn. Mit dem Brutto-Netto-Rechner der Stiftung Warentest kommt eine Person, Geburtsjahr 1960, Steuerklasse 3, ohne Kinderfreibeträge und Kirchensteuer in Sachsen auf 1.745,37 Euro Nettolohn. Nach dem Modell Aktivrente entfallen 206,25 Euro Rentenversicherungsbeitrag, 28,89 Euro Beitrag zur Arbeitslosenversicherung und 0,00 Euro Lohnsteuer. Der „Aktivrentner“, der ja kein Rentner ist, bekommt also 1.980,91 Euro netto. Das klingt doch gut.
Die Crux ist aber: Da man nicht weiter in die Rentenversicherung einzahlt, erwirbt man voraussichtlich auch keine weiteren Rentenpunkte. Wenn zusätzliche Rentenpunkte angerechnet werden, die spätere Rente also höher wird, dann belastet das wieder die künftigen Beitragszahler.
Zumindest im Mindestlohnbereich wĂĽrde es sich dann doch eher lohnen, Rente zu beziehen und statt weiter 40 Wochenstunden beispielsweise 20 Stunden zu arbeiten. Reicht die Regelrente, dann kann man auch bis zu 556 Euro steuerfrei dazuverdienen. Das muss man im Einzelfall ausrechnen.
Fazit: Die sogenannte Aktivrente ist, gegenüber den Wahlkampfversprechungen der CDU, eine Mogelpackung. Vielleicht lohnt sich das Modell für gut verdienende Menschen, wenn diese die Absicht haben, länger zu arbeiten.
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