Mit einem symbolischen Trauermarsch haben etwa 100 Personen am Dienstagabend an den „Tag X“ vor genau zwei Jahren erinnert. Vom Neuen Rathaus aus zogen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Richtung Heinrich-Schütz-Platz, jenem Ort, wo die Polizei am 3. Juni 2023 mehr als 1.300 teils minderjährige Menschen bis zu elf Stunden festhielt.
Zu dem Marsch aufgerufen hatte das Aktionsbündnis „Leipzig nimmt Platz“, welches dem Staat zunehmend autoritäres Gebaren, Einschüchterungen und eine Erosion von Grundrechten im Zusammenhang mit dem 3. Juni 2023 vorwirft. Damals hatte es im Leipziger Süden eine große Menschenansammlung gegeben. Tage zuvor waren die Leipziger Studentin Lina E. und drei Männer in Dresden wegen physischer Angriffe auf politisch rechts stehende Personen verurteilt worden.
Über 1.300 Personen bis zu elf Stunden gekesselt
Die Stadt Leipzig hatte eine Solidaritäts-Demo allerdings aus Sicherheitsgründen untersagt, woraufhin eine Kundgebung für das Recht auf Versammlungsfreiheit angemeldet wurde. Als es am Abend aus der Menge heraus zu Angriffen Vermummter auf Einsatzkräfte kam, kesselte die Polizei über 1.300 Menschen auf dem Heinrich-Schütz-Platz ein.
Die teils Minderjährigen mussten bis zu elf Stunden in dem Kessel ausharren, ohne wärmende Extra-Kleidung, Essen, Wasser und Toilettenzugang. Auch Eltern, Sanitäter und Anwälte seien oft nicht vorgelassen worden, wie vielfach berichtet wurde. Hunderte eingeleitete Verfahren wegen Verdachts auf Landfriedensbruch sind nach aktuellem Stand eingestellt.
Grundgesetz symbolisch zu Grabe getragen
Derlei Umstände und der als unverhältnismäßig beschriebene Polizeieinsatz wurden am zweiten Jahrestag auch von den Demonstranten auf das Schärfste kritisiert. Die meist dunkel gekleideten Menschen hatten symbolisch einen kleinen Sarg und ein Holzkreuz dabei, getreu dem Demo-Slogan „In Gedenken an Grundrechte und Rechtsstaat – gestorben am 03.06.2023 in Leipzig.“ Das Holzkreuz stand am Ende der Demo samt Sarg auf dem Heinrich-Schütz-Platz.
In Redebeiträgen wurde an das Trauma durch die polizeiliche Einkesselung mit all seinen Folgen für die Betroffenen erinnert und eine Entschuldigung der Behörden gefordert, die auch zwei Jahre danach ausgeblieben sei. Besonders beeindruckend sei die „Trauerrede“ des evangelischen Pfarrers Albrecht Häußler gewesen, so ein Beobachter gegenüber der LZ.
Auch Jürgen Kasek habe sich sehr kämpferisch gezeigt: Der Grünen-Politiker und ehemalige Stadtrat verwies in seinem Beitrag darauf, dass er sich aktuell vor Gericht verantworten muss, weil er einen Staatsanwalt verleumdet haben soll, der sich am 3. Juni 2023 vermummt am Rande des Geschehens aufhielt, um die Lage zu sondieren.
„Poldi“ gerät in Polizeimaßnahme
Fake-Polizeimaskottchen „Poldi“ lieferte schon vorab einen Redebeitrag. Der Mann hinter der Verkleidung trug das Abzeichen der Polizei und eine Schlagstock-Attrappe bei sich, geriet deswegen während der Demo in eine Maßnahme von Polizeibeamten. Hinter der Aktion stand die Partei „Die PARTEI“, welche sich auf satirische Art mit dem „Tag X“ und seinen Folgen auseinandersetzte.
Der Demonstrationszug wurde am Montagabend von einem erheblichen Polizeiaufgebot begleitet. Er endete gegen 20:00 Uhr am Heinrich-Schütz-Platz. Abgesehen von kleineren Auseinandersetzungen mit einem rechts verorteten Medienaktivisten, der die Demo filmte, blieb es nach Angaben des Beobachters weitgehend ruhig.
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